Donnerstag, 6. August 2020

Die Werbewelt ist so Künstler-feindlich wie noch nie

Wie wollt ihr der jungen Generation von Werbern Filme wie MadMen und 39,90 erklären? Wieso ist die Berufswelt des Werbers und damit meine ich die kreativen Werbeleute, wie Arter und Texter, die sich einst der Kunstwelt abgewandt und der Werbewelt zugewandt haben, so anders geworden? Fest steht: die Werbewelt war für Künstler schon immer ein Zufluchtsort, voller Geld und Sicherheit. Aber die letzten Jahre haben dieses Habitat zerstört.
Es gibt diesen Moment, wo man sich als junger, brotloser Künstler entscheiden muss: zieht mans durch? Das mit seiner Kunst? Oder ist man dafür zu pessimistisch, desilusioniert, unsicher und vielleicht nicht talentiert genug, um von seiner Kunst zu leben? Oder entscheidet man sich für die gierige Werbewelt, die es kaum erwarten kann einem, in der Manier einer Disney-Ursula, als sie sich Ariels Stimme schnappte, die kreative Seele herauszusaugen.
Man muss fair bleiben - Es ist ja auch kein schlechter Deal gewesen dies zu tun... bis vor kurzem. Denn immerhin winkte nicht nur Geld und Sicherheit, sondern auch ein recht kreatives, freies Umfeld, dass ich jetzt gerne erläutern würde:
Zu Madmens-Zeiten und bis in die 90er hinein, war die Werbewelt (und ich kenne sie ausschließlich von den besagten Filmen, was mich natürlich berechtigt davon auszugehen dass es 100% auch so war) nicht nur vom TUN, von der Aufgabenstellung nahe am Kreativ-Sein, sondern auch vom besagten Umfeld.
Der Künstler fühlt sich wohl in einem Arbeitsklima, wo er und sein Schaffen vergöttert wird, wo Honig und Whiskey fließen und Dankeschön-Körbe vom Kunden ihm eine Art Bestätigung geben. Das alles war damals eine sehr künstlerfreundliche Umgebung.
Es fühlte sich also für die Künstlerseele, gefangen im Körper eines gut verdienen Werbes, nicht schlecht an. Man hatte eine gute Mitte gefunden - auch wenn sich die echten Künster aus dem Bekanntenkreis, falls man sie noch hat, abwandten und in ihren zerlumpten aber dafür authentischen Roben über einen spotten, man hätte die Seele verkauft.
Das war gut erträglich, denn die genannten Vorzüge und das Geld fühlten sich gut an. Doch nun ist alles anders. Was heißt "nun" - schon länger! Ich wünschte ich hätte jetzt so gut recherchiert und könnte ein genaues Datum nennen. Aber meine Faulheit lies es nicht zu und so bin ich gezwungen zu spekulieren was das genau Datum anlangt: Ich denke mitte-ende der neunziger war es, als sich alles änderte. Womöglich war auch die Digitalisierung schuld? Vielleicht der ein oder andere Börsencrash? Irgendwas ist passiert, dass die Werbewelt in ihrer sympathischen Arbeitsweise von Grund auf veränderte, sodass sie so Künstlerfeindlich wie noch nie wurde.
Jetzt hat man als ehemaliger Künstler, frisch aus dem Studium nicht mehr die Qual der Wahl: geh ich die Werbung als Designerin oder versuch ich mich als Malerin? Denn beides ist erstmal ein beschissenes Dasein. Bei Madmen hatten Texter das Gottsein gepachtet - gefolgt von den Artern - dies ist verloren gegenagen. Da sich das Wort "Team" wie ein ekelhafter Blutegel durch die gesamte Berufswelt gesaugt hat - ist ja niemand wichtiger als der andere. Diese Verehrung, wie es Kreative damals in den Agenturen hatten, ist vorbei und damit eine der wichtigsten Säulen für den Künstler: Die Anerkennung, dass er selbst und viel wichtiger: sein Werk Bedeutung hat. Nachdem ihr Status demontiert wurde, kam der Wegfall von Rauschmitteln - die Arbeit wurde zur Arbeit. Die Lieblings-Inspirationsquelle Hemingways und Bukowskis war weg - damit auch die Lockerheit. Zigaretten wurden ab jetzt nur außerhalb der Agentur geraucht, wo der Werber plötzlich wie ein Halbstarker der heimlich hinter der Schule raucht, aussah. Und letztlich wurde der Geldhahn zum Geldkücken und Werbegeschenke oder Gutscheine wurden immer kleiner, bis sie nicht mehr vorhanden waren. Man hat uns alles genommen. Alles, was die Werbewelt erträglich gemacht hat...
Nun gehen Kreative nur noch aus einem Grund in die Werbewelt: Geld. Vielleicht wäre es Grund genug, wenn es gut bezahlt werden würde und vielleicht wäre es auch ok, wenn wir nebenbei noch privat ein Künstler sein dürften - (ab hier dramatisch und immer langsamer lesen)aber die Arbeitszeiten saugen die Kreativität gänzlich aus und zurück bleibt eine traurige, seelenlose Hülle.